Stand der Wissenschaft

Während nachhaltiges Wirtschaften spätestens seit der Veröffentlichung von „The Limits to Growth“ 1972 an öffentlicher Aufmerksamkeit gewann, haben sich im letzten Jahrzehnt vermehrt interdisziplinäre Forschungsansätze, Unternehmen und Initiativen an die Umsetzung einer Postwachstums- oder Gemeinwohlökonomie (Nico Paech, Christian Felber) gemacht. Beispielhaft genannt seien wirtschaftswissenschaftliche Forschungen zu Degrowth (Tim Jackson, Joan Martínez Allier, Serge Latouche) und dem Umgang mit Commons (Elinor Ostrom, Yochai Benkler). International wird an Optionen geforscht, das wenig aussagekräftige Bruttoinlandsprodukt als Indikator für Wohlstand durch neue Parameter zu erweitern (z. B. Enquete-Kommission der Bundesregierung, Happy Planet Index, NWI – Zieschank/Diefenbacher et al.). Erkenntnisse aus z. B. der Glücksforschung, Tiefenökologie, Ethnologie, Soziologie, Verhaltenspsychologie und Systemtheorie sowie aus der Biologie und der Quantenphysik stützen die Forderungen nach einem Paradigmenwechsel. Verschiedenste Arbeiten dazu lieferten Hans-Peter Dürr, Harald Welzer, Frithjof Bergmann, Rupert Sheldrake, Arne Naess, Donella Meadows,
Andreas Weber und viele andere. Wichtige Impulse hin zu einer „Glokalisierung“, d. h. die Wiederherstellung weltweiter regionaler, resilienter Wirtschaftskreisläufe, die Wohlstand und Gerechtigkeit bringen sollen, brachten etwa Vandana Shiva und Helena Norberg-Lodge ein sowie mit ihrem Permakultur-Konzept Bill Mollison und David Holmgren. Neue Ansätze in der Innovationsforschung 4 Von 15 wie Design Thinking des Hasso Plattner Instituts und Creative Research sowie neue Modelle des Experimentierens mit sozialen Innovationen (Kreativlabore, Szenarienwerkstätten) erweitern
das Handlungsspektrum der Pioniere des Wandels.

Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis wie auch zwischen den Fachdisziplinen ist für alle Versuche, Gesellschaft und Wirtschaft neu zu denken, charakteristisch. In Zivilgesellschaft und Wirtschaft gibt es mittlerweile weltweit zahlreiche Initiativen, die alternative Entwürfe neuen Wirtschaftens und gemeinschaftlichen Lebens im Kleinen erproben. Mit ihnen wächst die digitale Infrastruktur für ihre Verbreitung und Diskussion. Neue Konsummuster und Produktionsformen (darunter solche, in denen die Trennung von Konsum und Produktionobsolet wird) werden mittlerweile unter vielen Schlagworten diskutiert: Sharing Economy, Gemeinwohlökonomie, Collaborative Economy, Peer-to-Peer Economy, Commons Creating Peer Economy usw. Solidarische Ökonomie, insbesondere solidarische, gemeinschaftsbasierte Modelle für Landwirtschaft (Community Supported Agriculture) und Energieversorgung (z.B. Energie EWS Schönau) machen Schule, Städte bereiten sich auf das Leben in der postfossilen Ära vor (Transition Towns). Zahlreiche Unternehmen und Initiativen (dasslbe in grün e.V.) arbeiten auf eine regional verankerte Realwirtschaft hin, statt sich auf die Erwirtschaftung und Maximierung
rein monetärer Gewinne zu konzentrieren, und experimentieren erfolgreich mit dem
Konsensprinzip (PremiumCola). Komplementärwährungen (Chiemgauer, regionalgeldportal.de/WIR Währung der WIR Bank) werden schon lange erprobt. Geschichten des Gelingens werden wichtiger und helfen dabei, eine neue Innovationskultur öffentlich präsenter zu machen (z. B. Stiftung futurzwei). Relevant werden auch Nachhaltigkeitsstandards und Bewertungsmethoden, um zu definieren, was gut für Mensch und Natur, die Region und das Gemeinwohl ist (Sustainability Intelligence Ldt. Ö2SE-Methode). Auch grüne Paypack-Systeme (Grünkauf) oder Social-Banking-Angebote (Fidor Bank, GLS Bank) eröffnen neue Möglichkeiten,
die Synergien schaffen können.

Man darf gespannt sein was in den nächsten Jahren passiert. Eins ist aber deutlich, es passiert eine ganze Menge, wir müssen nur richtig hinschauen.

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